Als Hausarzt erlebe ich immer wieder, dass Migränepatienten richtiggehend an den quälenden Schmerzen verzweifeln. Häufig wurden bereits verschiedene Medikamente ausprobiert, ohne dass es zu einer wirklichen Besserung gekommen ist. In diesen Fällen ist aber keine Resignation angebracht, weil es zahlreiche Möglichkeiten gibt, die Anfälle zu behandeln oder deren Häufigkeit und Schwere zu reduzieren.
Wissenschaftlich geprüft von Dr. Stephanie Poggenburg, Österreichische Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM)
Was im Körper bei einem Migräneanfall abläuft, ist mittlerweile ganz gut bekannt, aber leider ziemlich kompliziert. Nur so viel: Am Beginn der Schmerzattacke steht – ausgelöst durch verschiedene Triggerfaktoren – eine Überreizung der Nervenzellen des Gehirns, darunter der Trigeminusnerv, der Schmerzimpulse von Gesicht, Augen und vorderem Kopfbereich ans Hirn sendet. Dabei werden Substanzen ausgeschüttet, die zu einer Entzündung im Bereich der Hirngefäße und Hirnhäute führen.
Wichtig für Sie als Patientin oder Patient zu wissen ist, dass die Migräne eine zwar mitunter sehr quälende Erkrankung ist, dass es dabei aber nicht zu einer fortschreitenden Verschlechterung kommen muss und es auch zu keiner bleibenden Schädigung von Hirngewebe kommt.
Wenn Sie unter Migräne leiden, haben Sie vielleicht schon bestimmte Faktoren identifiziert, die bei Ihnen einen Anfall auslösen können. Falls nicht, kann Ihnen möglicherweise ein Kopfschmerztagebuch dabei helfen. Sie tragen einfach ein, wenn sie eine Migräneattacke haben und was sie an diesem Tag gegessen oder getan haben.
Häufige Migräne-Auslöser sind:
Bei vielen Frauen löst der Abfall des Geschlechtshormons Östrogen im Rahmen des Menstruationszyklus regelmäßig eine Migräneattacke aus, die meist zwei Tage vor Einsetzen der Regelblutung beginnt und bis zwei Tage nach Abklingen der Blutung anhält.
Die typischen Migräne-Kopfschmerzen sind meist einseitig, mittelstark bis stark und von pochend-pulsierender Qualität, dazu können Übelkeit und Erbrechen, Licht und Lärmempfindlichkeit sowie neurologische Symptome („Aura“), wie Flimmern vor den Augen bis hin zu Sprachstörungen kommen.
Ein meist sehr verlässliches Unterscheidungskriterium zwischen Migräne und Spannungskopfschmerz ist die Verstärkung durch körperliche Aktivität wie Gehen oder Stiegen-Steigen bei Migräne, während Spannungskopfschmerzen bei körperlicher Bewegung eher besser werden.
Stellen Sie sich also vor dem Erstgespräch mit einem Arzt folgende 5 Fragen:
Sind meine Kopfschmerzen einseitig oder tut es auf beiden Seiten des Kopfes weh?
Sind die Schmerzen pulsierend oder gleichmäßig?
Treten die Beschwerden plötzlich, also anfallsartig auf oder kommen sie schleichend bzw. sind konstant da?
Werden die Schmerzen bei körperlicher Bewegung besser oder schlechter?
Ist mir gleichzeitig übel oder habe ich komische Veränderungen beim Sehen oder Hören festgestellt?
Bei Migräne ist es besonders wichtig, dass Sie sich selbst ein bisschen beobachten und herausfinden, was bei Ihnen einen Anfall auslösen kann. Dabei kann es helfen, wenn Sie ein Kopfschmerztagebuch führen. Viele Ärzte haben solche Kopfschmerztagebücher in Form von kleinen Heftchen, im Internet gibt es Beispiele zum Ausdrucken und manche Apps bieten digitale Kopfschmerztagebücher für das Smartphone.
Die primäre Anlaufstelle bei allen Kopfschmerzen. Der Hausarzt bzw. die Hausärztin wird Sie zu Ihren Beschwerden befragen und eventuell weitere Untersuchungen veranlassen. Weisen die Symptome auf eine Migräne hin, wird Ihnen Ihr Arzt im ersten Schritt ein Schmerzmittel und ggf. Zusatzmedikamente und weitere nicht-medikamentöse Maßnahmen empfehlen. Er wird Sie ggf. bitten, einen Kopfschmerzkalender zu führen, um die Diagnose zu erleichtern. Hausärzt:innen geben Ihnen Empfehlungen zu Lebensstil-Maßnahmen, die verhindern können, dass eine Migräne ausgelöst wird. Zudem können Sie sie über die Möglichkeit eines Einsatzes von Medikamenten beraten, die der Vorbeugung von Migräneattacken dienen.
Zum Neurologen bzw. zur Neurologin überweist Sie Ihr Hausarzt bei unklarer Diagnose und wenn die Beschwerden durch Schmerzmittel nicht ausreichend gelindert werden können. Diese:r kann weitere Untersuchungen durchführen und Ihnen ist auch für die Erstverordnung spezieller Migränemittel, so genannter Triptane zuständig. Neurolog:innen können Ihnen spezielle Medikamente verordnen, die der Vorbeugung weiterer Migräneattacken helfen können.
Stress ist ein möglicher Auslöser von Migräneattacken. Ein:e Psycholog:in oder Psychotherapeut:in kann Ihnen zeigen, wie Sie im beruflichen und privaten Alltag besser mit psychischen Belastungen und Stress umgehen können. Er bzw. sie kann Sie außerdem beim Erlernen von Entspannungstechniken anleiten.
Spezialist:innen, wenn es darum geht, die Erkrankung durch eine Anpassung der Ernährung positiv zu beeinflussen. Bei Migräne kommen zahlreiche Nahrungsmittel als mögliche Auslöser für die Kopfschmerzattacken in Frage. Der Diätologe bzw. die Diätologin kann einen maßgeschneiderten Diätplan für diese Fälle zusammenstellen.
Ihre Apotheke kann Sie bei der Auswahl eines rezeptfreien Schmerzmittels beraten und Sie bei der richtigen Einnahme eines vom Arzt verschriebenen rezeptpflichtigen Medikaments unterstützen. Sie können Ihren Apotheker auch zu pflanzlichen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln als unterstützende Maßnahme bei Migräne fragen.
Ihr niedergelassener Arzt bzw. Ihre niedergelassene Ärztin kann Sie falls notwendig an eine Kopfschmerzambulanz überweisen, die sich speziell mit der Diagnostik und Behandlung von Migräne beschäftigt.
Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten bei Migräne und manchmal braucht es etwas Geduld und Ausdauer, bis die individuell passende Therapie gefunden wurde. Welche Medikamente dabei zum Einsatz kommen, hängt auch davon ab, wie stark die Migräne ist.
Damit das Schmerzmittel wirken kann, macht es bei zur Übelkeit neigenden Patient:innen Sinn, etwa 20 Minuten vor der Einnahme des Schmerzmittels ein Medikament gegen die Übelkeit einzunehmen, das auch die reguläre Weiterbeförderung des Mageninhaltes unterstützt (siehe unten).
Hier finden Sie einen Vergleich der verschiedenen Schmerzmittel
Seit einigen Jahren ist in Österreich eine Prophylaxe mit sogenannten monoklonalen Antikörpern verfügbar und wird unter bestimmten Umständen auch von der Krankenkasse bezahlt. Die verschiedenen Vertreter dieser Wirkstoffgruppe werden je nach Substanz entweder monatlich bzw. einmal im Quartal vom Patienten selbst unter die Haut („subkutan”) gespritzt oder einmal im Quartal vom Arzt als Infusion in die Vene verabreicht. Drei Monate nach der Verordnung durch einen Facharzt bzw. eine Fachärztin sollte die Wirksamkeit des Präparates beurteilt werden. Ziel ist eine über 50-prozentige Reduktion der Migränetage pro Monat und eine Verbesserung der Lebensqualität.
Psychotherapie und Entspannungstraining sind wichtige Säulen in der Behandlung von Migräne.
Das Auslassen von Mahlzeiten kann mitunter eine Attacke auslösen. Dies konnte anhand einer Studie bestätigt werden: Während der islamischen Fastenperiode Ramadan kam es vermehrt zu Migräneanfällen. Leichte pflanzenbetonte Kost führt Untersuchungen zufolge zu weniger Schmerzen bei einem Anfall. Der Fettanteil der Nahrung sollte moderat sein. Omega-3-Fettsäuren gelten wegen ihrer antientzündlichen Wirkung als besonders günstig. Manchmal können Nahrungs- und Genussmittel, wie Alkohol, Zitrusfrüchte, geräucherte Produkte oder Dosenfisch und -fleisch, Migräne auslösen.
Mag. Pharm. Martin Schiller
aus dem Krone-Archiv
Käse, Schokolade und Paradeiser – dass Migräne und Ernährung zusammenhängen, ist bekannt. Studien zeigen jetzt, dass kohlenhydratarme Kost sogar vorbeugend wirken kann. Zur Vorbeugung sollten deshalb individuelle Auslöser erkannt und vom Speiseplan gestrichen werden. Nach neuesten Erkenntnissen können aber auch Diäten, bei denen Kohlehydrate gespart und dafür mehr eiweiß- sowie fettreiche Lebensmittel gegessen werden, Attacken vorbeugen. Man sollte jedoch hochwertige Fette, die reichlich Omega-3-Fettsäuren enthalten, etwa Leinöl und Fisch (z. B. Lachs), bevorzugen. Auch die Glyx-Diät dürfte ein vielversprechender Ansatz zur Prophylaxe von Migränekopfschmerz sein, da sie Entzündungen reduziert. Die Ernährung basiert bei dieser Diät auf Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index wie Fleisch, Fisch sowie hochwertigen Fetten. Kohlehydrate werden hingegen reduziert, auf Zuckerhaltiges wird weitgehend verzichtet. Wir brauchen allerdings noch mehr Studien, um die genaue Wirkung der Glyx-Diät bei Migräne zu verstehen. Auch Flüssigkeitsmangel und das Auslassen von Mahlzeiten sollte vermieden werden. Kopfschmerz und Migräne sind mit Mechanismen wie Entzündung und irregulärer Funktion des Hypothalamus verbunden. Adipositas auch. Eine Gewichtsreduktion kann daher auch mit einer Verbesserung der Beschwerden einhergehen.
Prim. Dr. Christian Lampl
Leiter der Neurologie am KH der Barmherzigen Brüder in Linz aus dem Krone-Archiv