Wir haben OA Dr. Peter Spellitz, Stv. Ärztlicher Leiter im Rheumazentrum Wien-Oberlaa zum Interview gebeten.
Herr Dr. Spellitz, wodurch entsteht die Krankheit?
Morbus Bechterew, auch ankylosierende Spondylitis (AS) genannt, ist eine entzündlich rheumatische Erkrankung. Durch Fehlfunktion des Immunsystems kommt es zu Entzündungen, vorwiegend im Bereich der Wirbelsäule. Die genauen Ursachen sind nicht geklärt. Man geht davon aus, dass viele Faktoren, wie eine genetische Veranlagung, an der Entstehung beteiligt sind.
Wie wird die Diagnose gestellt?
Diese erfolgt anhand der Kombination charakteristischer Symptome, unterstützt durch bildgebende Verfahren. Bei Morbus Bechterew zeigen sich im Röntgen typische Veränderungen und Verknöcherungen an der Wirbelsäule oder des Kreuz-Darmbein-Gelenks. Die Magnetresonanztomografie (MRT) liefert zusätzliche Erkenntnisse über entzündliche Veränderungen und kann bereits bei entsprechenden Symptomen als Früherkennung dienen. Auch eine Blutuntersuchung bietet mitunter Hinweise etwa durch erhöhte Entzündungswerte, wenn diese nicht durch andere Ursachen erklärbar sind. Sind diese Werte erhöht, kann dies auf einen aggressiveren Verlauf der Erkrankung hindeuten. Betroffene tragen oft ein bestimmtes genetisches Merkmal, das sogenannte HLA-B27-Molekül. Als Suchtest ist es jedoch ungeeignet, da bis zu 10% der gesunden Bevölkerung ebenfalls dieses Merkmal tragen.
Warum dauert es so lange, bis Patienten wissen, was ihnen fehlt?
Rückenschmerzen haben fast alle Menschen. Gerade bei Jüngeren wird nicht an Rheuma, sondern meist an einen Bandscheibenvorfall oder andere orthopädische Probleme gedacht. Hauptsymptome, bei denen man einen Rheumatologen aufsuchen sollte, sind Rückenschmerzen, die vor dem 40. Lebensjahr beginnen, länger als 3 Monate andauern, durch die der Patient nachts aufwacht und die sich nur durch Bewegung bessern. Häufig sind auch andere Gelenke wie Knie und Hüfte betroffen oder Beschwerden der Sehnenansätze (z.B. Tennisellenbogen, Fersenschmerzen), seltener Augenentzündungen, Schuppenflechte oder Stuhlunregelmäßigkeiten zu beobachten. Hier ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Augen-, Hautärzte und Gastroenterologen besonders wichtig, um die Zeit bis zur Diagnose zu reduzieren. Selbst wenn sich die Dauer vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnose in Westeuropa mittlerweile von durchschnittlich 9 Jahren halbiert hat, ist dies immer noch zu lange. Sind bereits Verknöcherungen entstanden, kann man diese nicht rückgängig machen. Außerdem bedeuten unbehandelte Entzündungen im Körper ein erhöhtes Risiko z.B. für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Welche Behandlung gibt es?
Um Beschwerden und Entzündungen zu reduzieren, kommen in der Regel entzündungshemmende Schmerzmittel zum Einsatz. Bringen diese keinen gewünschten Erfolg bzw. ist eine Kontraindikation oder Unverträglichkeit vorhanden, stehen Biologika zur Verfügung, die direkt auf das Immunsystem und Entzündungsgeschehen einwirken. Diese werden als Injektion oder Infusion verabreicht. Neu zur Anwendung kommen sog. Januskinase-Inhibitoren, die in der Zelle Signalwege – und so die Herstellung entzündungsfördernder Botenstoffe – blockieren. Diese werden als Tabletten eingenommen. All diese modernen Arzneimittel sind gut verträglich und können bei vielen Patienten eine Remission, d. h. Krankheitsstillstand bzw. minimale Krankheitsaktivität, herbeiführen. Welches Präparat zum Einsatz kommt, ist eine individuelle Entscheidung und abhängig von Faktoren wie Schweregrad des Leidens, Lebenssituation des Patienten, Begleiterkrankungen, usw. Bewegung ist eine wichtige Säule der Therapie. Durch regelmäßige Gymnastik sowie Physiotherapie lassen sich Wirbelversteifungen verlangsamen und die Mobilität bleibt erhalten. Sportarten mit starken Erschütterungen, wie zum Beispiel Kampfsport oder Reiten, sollten Betroffene lieber meiden. Am besten vorher mit dem Arzt besprechen. Wichtig ist auch gesunde, ausgewogene Ernährung, das Vermeiden von Übergewicht und vor allem: nicht Rauchen! Die Inhaltsstoffe der Zigaretten „heizen“ die Entzündungen an.